Arzneimittelversorgung ist weiterhin gefährdet

 

  • Neues Preisband: zu hoher Preisdruck drängt Medikamente im Niedrigpreissektor aus der Versorgung
  • Versorgung von Patientinnen und Patienten wird bei übermäßigem Preisdruck gefährdet
  • Verbände schlagen Maßnahmenbündel für Biosimilars und Generika zur Lösung vor

Der Österreichische Generikaverband (OeGV) und der Biosimilarsverband Österreich (BiVÖ) sehen auch für kommenden Herbst und Winter die Arzneimittelversorgung unter Druck. Grund dafür ist, dass neben den bereits bestehenden Preisregelungen für Generika und Biosimilars ab Oktober 2023 der Preisdruck verschärft wird: Durch das sogenannte Preisband darf der Höchstpreis eines erstatteten Arzneimittels ab Oktober 2023 maximal 20 % über jenem des günstigsten Wirkstoffgleichen liegen. Damit verringert sich der Wettbewerbsspielraum von bisher 30 % auf 20 %.

Das verengte Preisband in Kombination mit der aktuellen Kostenexplosion von Rohstoffpreisen und Energie wird das Angebot an wichtigen Arzneimitteln und damit die Versorgungssicherheit weiter gefährden. Leidtragende sind die Patientinnen und Patienten, denen wichtige Medikamente fehlen. Eine aktuelle Preisbandanalyse von IQVIA zeigt: Für die 66 betroffenen Pharmaunternehmen in Österreich bedeutet das neue Preisband einen Einschnitt von jährlich 82 Mio. EUR. Die Krankenkassen würden zwar kurzfristig von einer Kostenreduktion von jährlich rund 100 Mio. EUR profitieren, verlieren aber langfristig durch das sich verringernde Marktangebot an günstigen Medikamenten massiv an Einsparungspotenzial.

Starker Preisdruck gefährdet die Versorgung

„Es ist im Grunde sehr einfach: Wenn Unternehmen bei diesen ohnehin schon sehr günstigen Generika noch mehr unter Preisdruck geraten, ist eine wirtschaftliche Vermarktung für viele Hersteller nicht mehr möglich und wir verlieren das Angebot am Markt. Momentan haben wir Lieferengpässe bei Antibiotika oder fiebersenkenden Säften. Wenn das Preisband 2023 die Preise noch mehr drückt, laufen weitere Medikamente wie z.B. Antipsychotika oder Antidepressiva Gefahr, aus der Versorgung zu fallen. Im Umkehrschluss wird die Sozialversicherung dadurch sehr viel an Einsparungspotenzial verlieren und es fehlen spätestens im Winter wieder wichtige Medikamente an der Tara“, so Dr. Wolfgang Andiel, Präsident des OeGV.

So beträgt der Kassenpreis für eine Monatstherapie mit dem wichtigsten Basismedikament gegen Typ-II-Diabetes Metformin weniger als 3,00 EUR, der Hersteller bekommt dafür einen Betrag von durchschnittlich 1,86 EUR. Insgesamt kostet eine Generikatablette im Schnitt nur noch 16 Cent. Damit müssen Herstellung, Transport, Lagerung, Gebühren für Zulassung und Arzneimittelüberwachung, die Kosten der Serialisierung und vieles mehr finanziert werden.

Die zehn am meisten vom Preisband erfassten Generika repräsentieren fast 9 Millionen Packungen pro Jahr, damit könnten bis zu 750.000 Patientinnen und Patienten jährlich betroffen sein.

300 mg zum Preis von 25 mg

Überdies soll bei der Feststellung des Höchstpreises auf die am häufigsten verschriebene Wirkstoffstärke, die sogenannte Schlüsselstärke (z.B. 25mg), abgestellt werden und höhere Wirkstoffstärken (z.B. 300mg) dürfen keinen höheren Preis haben. Im Extremfall kann dieses Einheitspreis-Modell daher den gleichen Erstattungspreis für eine bis zu zwölffach höhere Dosisstärke bedeuten. Damit laufen wir Gefahr, dass höhere Dosisstärken nicht mehr im Markt gehalten werden können. Die Konsequenz für Patientinnen und Patienten: es müssten mehr Tabletten eingenommen und vor allem mehrmals Rezeptgebühr gezahlt werden.

Faire Preise für eine verbesserte Versorgung

Um die Versorgungssicherheit mit wichtigen Arzneimitteln aufrechtzuerhalten ist es daher dringend an der Zeit, neue Regeln für eine faire Erstattung zu diskutieren. „Wir brauchen ein Ende der negativen Preisspirale! Das heißt für Biosimilars mehr Förderung und mehr Spielraum für Wettbewerb, denn nur so werden mehr Biosimilars für die Versorgung zur Verfügung stehen und Einsparungen ermöglicht“, so Dr. Sabine Möritz-Kaisergruber, Präsidentin des BiVÖ.

Die Verbände fordern daher Maßnahmen, um die negativen Auswirkungen des neuen Preisbandes zumindest teilweise abzufedern und die Arzneimitteversorgung in gewohnter Qualität sicherstellen zu können. So würde die Anhebung der Verschreibung von günstigen Generika und Biosimilars denselben Einsparungseffekt für die Krankenkassen erzielen, gleichzeitig aber mehr Medikamente am Markt erhalten. Die Verbände fordern daher die gezielte Generika- bzw. Biosimilarsförderung um ein nachhaltiges Angebot sicherzustellen. Zudem soll die bewährte Biosimilars-Preisregel, die bis Ende dieses Jahres befristet ist in Dauerrecht überführt werden. Eine Einführung der Möglichkeit, Arzneimittelpreise zumindest an den Verbraucherpreis-Index anzupassen, könnte die enorm steigenden Kosten wenigstens teilweise kompensieren. Denn derzeit können Pharmaunternehmen die Kostensteigerungen nicht weitergeben. Zudem müssen die ab 2024 drohenden Streichungsverfahren aus dem Erstattungskodex abgeschafft werden. Wenn ein Arzneimittel nicht auf den jeweils niedrigsten vergleichbaren Produktpreis mit dem gleichen Wirkstoff abgesenkt wird, kann es durch dieses Verfahren aus dem Erstattungskodex gestrichen werden. Auch das wird zusätzlichen massiven Druck auf die Versorgung ausüben.