Neues Preisband verengt den Spielraum für ökonomischen Wettbewerb von bisher 30% auf 20%

im Bundesgesetzblatt Nr. 2022/I/32 vom 18. März 2022 wurde eine weitere, überraschenderweise nicht den Verhandlungen entsprechende letztmalige Festlegung eines 20%igen Preisbandes für wirkstoffgleiche Arzneimittel und Biosimilars für das Jahr 2023 veröffentlicht. Damit sollen, wie es in der Begründung heißt, bestehende Preisunterschiede zwischen wirkstoffgleichen Arzneispezialitäten reduziert werden.

  • Mehr als 90 Prozent der abgegebenen Medikamentenpackungen sind aus dem patentfreien Segment
  • Schon bisher sparte die Krankenversicherung mit dem 30%igen Preisband mehr als 80 Mio. EUR jährlich, das entspricht einem jährlichen Umsatzrückgang um fast 60 Mio. EUR aus Herstellersicht
  • Der weitere durch das 20%ige Preisband verschärfte Preisdruck und Behinderungen des Wettbewerbs führen bei der derzeitigen Kostenexplosion und Lieferkettenstörung zur Angebotsverknappung und werden die Versorgungssicherheit gefährden

 Besonders die Generika-Anbieter leisten damit einen weiteren wesentlichen und zusätzlichen Beitrag für das Gesundheitssystem, sie warnen aber vor einer gefährlichen Preisspirale.

„Die Verlängerung des Preisbandes ist ein richtiger Schritt und bringt ein Mindestmaß an Planungssicherheit. Es braucht aber zusätzliche Maßnahmen, um die wichtige Versorgung mit Generika zu gewährleisten und planbare und wettbewerbsfördernde Rahmenbedingungen sicherzustellen“, so Wolfgang Andiel, Präsident des Österreichischen Generikaverbandes (OeGV).

Preisband 2023 – was ist neu?

Abweichend von den Preisband-Umsetzungen der Jahre 2017, 2019 und 2021 wurde die erlaubte Differenz zwischen dem Höchstpreis der wirkstoffgleichen Arzneispezialität und dem Preis der günstigsten Arzneispezialität von bisher 30% auf 20% im Jahr 2023 verringert. Überdies soll bei der Feststellung des Höchstpreises auf die am häufigsten verschriebene Wirkstoffstärke abgestellt werden und höhere Wirkstoffstärken dürfen keinen höheren Preis haben. Produkte, die bereits unter der Rezeptgebühr liegen, also von den Patientinnen und Patienten selbst bezahlt werden, sind von diesen weiteren Preissenkungen ausgenommen.

Krankenversicherung spart durch Preisband mehr als 80 Mio EUR jährlich

Der Kosteneinsparungseffekt durch die in der Vergangenheit durchgeführten Preisband-Festlegungen ist signifikant und liegt aus Sicht der Krankenversicherung in Summe bei mehr als 80 Mio EUR jährlich. „Aus Herstellersicht bedeutet er einen jährlichen Umsatzrückgang um fast 60 Mio EUR. Dies ist ein wesentlicher zusätzlicher Beitrag, den die Zulassungsinhaber patentfreier Arzneimittel für das Gesundheitssystem leisten“, so Andiel.

Hoher Preisdruck gefährdet Versorgungssicherheit

Mehr als 90% der abgegebenen Medikamentenpackungen stammen aus dem patentfreien Segment, 54% davon sind Generika. Sie haben also eine hohe Versorgungsfunktion für die österreichischen Patientinnen und Patienten. In Österreich sind allerdings die Preise bereits so niedrig, dass über 40% der Arzneimittel unter der Rezeptgebühr liegen und aus eigener Tasche, sprich von den Patientinnen und Patienten selbst bezahlt werden.

Hoher Preisdruck und ungünstige Rahmenbedingungen haben dazu geführt, dass ein wesentlicher Teil der chemischen und pharmazeutischen Produktion in den letzten zwei Jahrzehnten aus Kostengründen weg aus Europa vor allem in den asiatischen Raum verlagert wurde. Noch im Jahr 2000 kamen 59% der Wirkstoffe aus Europa, 2020 waren es nur mehr 33%. Diese Abhängigkeit von außereuropäischer Produktion wurde während der Corona Pandemie und der Störung der Lieferketten besonders deutlich, wenn sie auch noch nicht zu Versorgungsengpässen geführt hat. Dies vor allem deshalb, weil es der europäischen Generika-Industrie gelungen ist, sehr rasch auf die spezifischen erhöhten Bedarfe durch Ausweitung ihrer europäischen Produktionskapazitäten zu reagieren.

In Österreich führt der Preisdruck aber auch dazu, dass im Durchschnitt mehr als 20 Produkte pro Monat den Erstattungskodex verlassen. Damit gehen sukzessive versorgungsrelevante Medikamente verloren.

Einheitspreis bzw. 300mg zum Preis von 25mg

Mit dem neuen Einheitspreis wird neben dem Preisband zusätzlich an der Kostenschraube gedreht. Die meistverordnete Wirkstoffstärke, die sogenannte Schlüsselstärke (z.B. 25mg), bestimmt den Preis der höheren Dosierungen (z.B. 300mg). Diese müssen nun denselben Preis wie die Schlüsselstärke aufweisen. Im Extremfall kann dieses Einheitspreis-Modell den gleichen Erstattungspreis für eine zehnfach höhere Dosisstärke bedeuten.

Erste Berechnungen ergeben einen durch das neue Preisband verursachten zusätzlichen Umsatzverlust für die Hersteller von insgesamt jährlich 20 Mio EUR.

Gleichzeitig steigen aber die Produktionskosten deutlich und liegen über der ohnehin schon hohen Inflation. Vor allem die Rohstoff-, Packmittel- und Energiepreise sowie die Frachtkosten sind durch die geopolitischen Auswirkungen von Pandemie und Ukraine-Krieg geradezu explodiert.

Generikaverband fordert planbare und wettbewerbsfördernde Maßnahmen

Die Verlängerung des Preisbandes ist ein richtiger Schritt und bringt ein Mindestmaß an Planungssicherheit. Um die Versorgung mit Generika zu gewährleisten, braucht es aber zusätzliche Maßnahmen, um planbare und wettbewerbsfördernde Rahmenbedingungen sicherzustellen:

  • Dazu gehört insbesondere die Einführung der Möglichkeit, Arzneimittelpreise zumindest an den Verbraucherpreis-Index anzupassen, um die gestiegenen Produktionskosten wenigstens teilweise zu kompensieren und damit die Versorgung abzusichern, denn preisgünstige Arzneimittel sind von den Preiserhöhungen der Vorlieferanten überproportional betroffen, können diese aber nicht weitergegeben.
  • Weiters muss über die Entbürokratisierung und Beschleunigung des Aufnahmeprozesses für Generika in den Erstattungskodex nachgedacht werden. Das derzeitige System gewährt eine zusätzliche Marktexklusivität für patentabgelaufene Referenzprodukte von bis zu 6 Monaten und zu Preisen, wie sie vor Patentablauf bestanden.
  • Die gesetzliche Auflage des Ausbietens von Kleinpackungen für den Behandlungsbeginn bei chronischen Therapien führt sehr häufig zu Medikamentenverschwendung durch unnötige Vernichtung von industriell gefertigten, aber nicht nachgefragten Chargen, weil diese kleinen Packungsgrößen aus nachvollziehbaren Gründen nicht verschrieben werden. Diese Vorgabe muss ersatzlos gestrichen oder zumindest auf medizinisch zu begründenden Einzelfällen reduziert werden.
  • Überschießende Preisforderungen bei Aufnahme von Generika in den grünen Bereich des Erstattungskodex, wenn das Referenzprodukt im gelben Bereich gelistet ist, müssen auf ein angemessenes Maß reduziert werden.
  • Das Damoklesschwert der Streichungsverfahren aus dem Erstattungskodex, wenn eine Arzneimittelspezialität nicht auf den jeweils niedrigsten vergleichbaren Produktpreis mit dem gleichen Wirkstoff abgesenkt wird, muss abgeschafft werden. Produkte innerhalb des neu festgesetzten, aber letztmaligen Preisbands sind derzeit vor diesen Zwangspreissenkungen geschützt. Dieser Schutz läuft allerdings bereits am 31.12.2023 aus.